17.12.2015

"Nach 1938 aufgelöst, verdrängt, ermordet!" - Jüdische Vereine im Nordwesten

Fussball ist Nationalsport. Fußball prägt den Alltag vieler Menschen. Fußball ist sogar im Bewusstsein der Menschen, die sich gar nicht dafür interessieren. Denn Fußball ist Bestandteil jeder Zeitung oder jedes Fernsehprogrammes. Was vielen Deutschen nicht bewusst ist, was vor 82 Jahren nach der Machtübernahme der Nazis in Fußballvereinen geschehen ist.



Zwei Autoren haben die Geschichte von rund zweihundert Clubs aufgearbeitet. Vereine, in denen Juden sehr schnell diskriminiert wurden. Henry Wahlig und Lorenz Peiffer waren auf Spurensuche.

"Bevor das neue NS-Regime sich überhaupt etabliert hatte, haben die deutschen Turn- und Sportvereine in vorauseilendem Gehorsam ihre jüdischen Mitglieder ausgeschlossen", sagt Peiffer in einem Gespräch mit dem Nordwestradio. Er bezeichnet dies als Vorreiterfunktion der "Arisierung" im Deutschland der 30er-Jahre.


Im Nordwesten betraf das auch den SV Werder Bremen, so der Autor. "Dort gab es einen Jugendspieler, der aus Wilhelmshaven nach Bremen gekommen war und dem dann mitgeteilt wurde, dass er als Jude nicht mehr erwünscht ist. Der ist dann Gottseidank nach Amerika geflohen und ist dort ein renommierter Literaturprofessor geworden", so der Autor. Peiffer sprach auch mit anderen Juden, die aus ihren Vereinen ausgeschlossen wurden. Diese hätten ihm gesagt: "Für uns als junge Menschen von heute auf morgen ausgeschlossen zu werden, aus einer sozialen Gemeinschaft, in der wir gelebt haben, wo wir unsere Freunde hatten, das ist ein unglaublich massiver Einschnitt gewesen."

Viele der Betroffenen gründeten dann neue, rein jüdische Vereine. In Bremen war das beispielsweise Schild Bremen. In Twistringen im Landkreis Diepholz trafen sich Jungen aus jüdischen Familien jeden Sonntag zum Fußball. Laut Peiffer kamen die Mitspieler teilweise aus einem Umkreis von 60 Kilometern. Wissenschaftler Peiffer: "Es hat sich dann der nordwestdeutsche Makkabi-Verband aufgebaut, die haben dann eigene Meisterschaften organisiert. Es ist eine Parallelgesellschaft gewesen." Nach 1938 wurden diese Vereine aufgelöst. "Liquidiert, verdrängt, die Mitglieder deportiert, ermordet!", so das Fazit des Buchautors Lorenz Peiffer. Berichte über das spätere Schicksal der Vereinsmitglieder gibt es nicht mehr.

Zum Buch:
Henry Wahlig und Lorenz Peiffer: "Jüdische Fußballvereine im nationalsozialistischen Deutschland",
Verlag Die Werkstatt. 576 Seiten, zirka 45 Euro

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen