10.12.2015

Ein Gast und viele ungebetene Besucher

Am Wieltsee ist erstmals ein Eistaucher aufgetaucht. Die Hafenmeister sind von den Ornithologen genervt.



Er ist etwa so groß wie eine Gans und mit seinem grauweißen Federkleid wahrlich keine auffällige Erscheinung: der Eistaucher. Dennoch lockt ein einziges Exemplar dieser Vogelart im Moment Ornithologen aus ganz Deutschland an den Dreyer Wieltsee. Bewaffnet mit Fotoapparaten mit langen Objektiven setzen sie alles daran, um den Gast, der sich nur äußerst selten im Binnenland blicken lässt, vor die Linse zu bekommen - sehr zum Ärger der Hafenmeister der Marina Wieltsee. Weil einige Ornithologen bei der Jagd nach dem besten Beobachtungspunkt auch vor Privatgrund nicht Halt machten, haben sie schon mehrere Platzverweise ausgesprochen.

Für die Vogelkundler kommt das Auftauchen des Eistauchers am Wieltsee einer Sensation gleich. „Es ist in Bremen und dem Umland erst der sechste bekannte Nachweis“, sagt Thomas Kuppel von der ornithologischen Arbeitsgruppe des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Bremen. Der erste Nachweis sei eine detailgetreue Zeichnung eines Naturmalers und stamme aus dem 19. Jahrhundert. Am Wieltsee sei zudem noch nie zuvor ein Eistaucher gesichtet worden. Im Moment tauche der Eistaucher auch nur an fünf Stellen in Deutschland auf, neben dem Wieltsee unter anderem auf Sylt.


"Die nächsten Brutplätze des Eistauchers befinden sich auf Island und in Nordamerika“, sagt Kuppel. Außerhalb der Brutzeit halte sich der Vogel gerne auf dem Meer auf, im Binnenland dagegen selten. Der Eistaucher gehöre zur Familie der Seetaucher, die wiederum in fünf Arten untergliedert werden kann. "Er ist der zweitgrößte der fünf Arten“, geht Kuppel weiter ins Detail.

Der Ornithologe vermutet, dass sich der Dreyer Eistaucher an den Wieltsee verflogen hat. "Aber nun gefällt es ihm dort offenbar, er findet ja auch genug Nahrung“, sagt Kuppel. Ob es sich bei dem Jungvogel um ein Weibchen oder ein Männchen handelt, kann der Experte nicht sagen. Das Federkleid des Eistauchers sehe bei beiden Geschlechtern gleich aus. Und so nah, dass man das Geschlecht bestimmen könnte, ist dem Eistaucher bislang noch niemand gekommen. "Er ist nicht zutraulich“, sagt Kuppel.
Dennoch seien die Bedingungen am Wieltsee sehr gut, um das Tier zu beobachten und zu fotografieren. "Hier kommt man auf unter 20 Metern an ihn heran", so Kuppels Erfahrung. Der Bremer hat den Eisvogel am 9. November zum ersten Mal am Wieltsee gesehen und anschließend ein Foto in ein Internetforum gestellt. Mittlerweile sind etliche Fotos von weiteren Vogelkundlern hinzugekommen. Kuppel selbst war sechs Mal vor Ort.

Der erhöhte Besuch von Menschen mit Kameras und Ferngläsern ist auch Axel Budelmann und Hans Diekers, den Hafenmeistern der Marina Wieltsee, nicht verborgen geblieben. Thomas Kuppel habe sie darauf hingewiesen, dass er das Foto ins Netz gestellt hat. "Zuerst haben wir uns nichts dabei gedacht, aber dann kamen immer mehr Leute“, erzählt Budelmann. Die Besucher seien nicht nur an den öffentlichen Ufern des Wieltsee auf die Suche nach dem Eistaucher gegangen, sondern auch auf dem privaten Marina-Gelände. "Einige sind völlig schmerzfrei“, schildert Budelmann seine Erfahrung. Deshalb sei es auch zum Streit zwischen einem Besucher und einer Kundin der Marina gekommen.

"Die Leute haben auch die Stege betreten“, ergänzt Diekers. Und das könne sogar gefährlich werden, wenn man von dort ins Wasser fällt. Es gebe keine Leiter, um mal eben schnell wieder herauszuklettern, und das Wasser sei nur sechs Grad warm. Dazu komme, dass die Kunden der Marina, die teilweise auch jetzt auf ihren Booten leben, im Moment ohnehin sensibilisiert seien, weil es auf dem Gelände vor Kurzem zu Diebstählen gekommen sei. "Und dann kommen da Leute mit großen Fotoapparaten“, sagt Diekers.

Über Kuppel hätten sie im Internet verbreiten lassen, dass sich die Besucher vorher anmelden sollen. "Einige haben es gemacht, andere waren total stur“, beschreibt Budelmann die weiteren Ereignisse. Etwa 20 Menschen, die sich nach seiner Aussage nicht benehmen konnten, habe er vom Marina-Gelände verwiesen. "Dagegen stehen aber auch 20, die sich vernünftig verhalten haben“, betont er.

Einen Ansturm wie im Moment erleben die beiden Hafenmeister zum ersten Mal. Trotz des Ärgers finden sie es eigentlich ganz gut, dass sich der Eistaucher ausgerechnet am Wieltsee niedergelassen hat. "Das zeigt ja auch, wie gut unsere Wasserqualität ist und wie viele Fische im See leben“, sagt Budelmann.

Thomas Kuppel hofft indes, dass seine Kollegen einen Bogen um die Marina machen. "Keiner darf die Privatgrundstücke betreten“, sagt er. Ohnehin könne man den Eistaucher am besten vom Südufer des Sees beobachten. Das befindet sich in etwa zwischen dem Marina-Gelände und dem Gebäude des Sportfischereivereins Wiking und ist frei zugänglich.

Am Mittwoch hat sich der Eistaucher jedenfalls auch dort nicht blicken lassen - sagt zumindest Josef Teupe. Er war in den vergangenen Tagen mehrmals vor Ort, um den Vogel zu beobachten, hat ihn dabei auch fotografiert. Ob der Eistaucher in den nächsten Tagen wieder auftaucht oder ob er weitergezogen ist, weiß Teupe nicht. "Vielleicht ist ihm der Trubel jetzt auch zu viel geworden“, sagt er.

Quelle: Weser Kurier

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